PEOPLE AREN’T GOING TO TELL ME WHAT TO DO

PEOPLE AREN’T GOING TO TELL ME WHAT TO DO
/ Nov222019Frauen in Rock‘n‘Roll Bands haben es immer noch nicht leicht – aber leichter als vor 40 Jahren. Vielleicht haben sie das ein Stück weit Joan Jett zu verdanken. Schließlich beweist die ein Leben lang, dass Rockmusik keine Männersache ist, und tritt Zweiflern dabei ebenso ausdauernd wie erfolgreich in den Hintern.
Joan Jett and the Runaways – die etwas andere Girlband
Gerade einmal 15 Jahre alt war Joan Jett, als sie das festgefügte Glaubenssystem der Rock‘n’Roll-Welt das erste Mal ins Wanken brachte. Als Gitarristin und Sängerin der Band „The Runaways“ war sie eine von fünf blutjungen Frauen, die zu knarzig-punkig-treibender Rockmusik über Sex, Lust und Wut sangen und auf diese Art zum Exportschlager wurden.
Dabei war der Erfolg der ungewöhnlichen Girlband ein zweischneidiges Schwert. Denn vor allem zu Hause in den USA kamen viele Männer höchstens in zweiter Linie wegen der Musik zu Konzerten der Runaways – woran Manager Kim Fowley nicht ganz unschuldig war. „We were being presented as a tits-and-ass band, and we didn’t realize it.” Als sie es realisierten und noch dazu die Tatsache, dass sie dieser Imagefalle kaum entkommen konnten, führt das zum Auseinanderbrechen der Band. Joan landete dort, wo die meisten Rock’n’Roll-Stars – und nicht nur die – im Laufe ihres Lebens einmal landen: in einem tiefen Loch. Dass sie dann erst einmal zu saufen anfing, hatte sie ebenfalls mit ihren Kollegen gemeinsam.
‘What! I can’t play guitar on my own fucking record! Fuck you!’
Diese Worte schleuderte Joan Jett dem Mann entgegen, der sie ins Studio holte, um ihrer Karriere neuen Schwung zu verpassen. Kenny Laguna fand die rebellische Sängerin sofort interessant, wurde aber schnell damit konfrontiert, dass diese nur bereit war, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn es nach ihren Vorstellungen ging – und Gastmusiker anzuheuern, die ihre Gitarrenspuren einspielten, das kam nicht in Frage.
Kenny gab nach, zum Glück, und die beiden wurden nicht nur zu einem eingespielten Team, sondern auch zu besten Freunden. Wenig später gründete Joan Jett die Blackhearts. Mit ihrem zweiten Album „I Love Rock‘n‘Roll“ und dem gleichnamigen Titelsong plus ikonischem Schwarz-Weiß-Video kam der große Durchbruch, glücklicherweise nicht zu früh, wie Joan Jett fand. Denn so hatten sie und ihre Mitstreiter sich eine treue Fanschar erspielt und für die Sängerin war dies immer wichtiger als Geld oder Ruhm: ein Publikum zu haben. Schließlich ist die Bühne seit ihrer Jugend ihr Lieblingsort.
Schauspielerin, Vorbild und Queen of Rock‘n‘Roll
Den Single-Chart-Erfolg von „I Love Rock‘n‘Roll“ konnte Joan Jett zwar nicht wiederholen, arm an Highlights war ihre folgende Karriere jedoch nicht. So brillierte die Sängerin, die die Presse abwechselnd als „Queen of Rock‘n‘Roll“ und „Godmother of Punk“ betitelte, an der Seite von Michael J. Fox im Film „Light Of Day“. Songs wie „I Hate Myself For Loving You“, Gastauftritte auf diversen Alben anderer Musiker und ausgedehnte Tourneen bekräftigten ihren Status als einflussreicher Rockstar. In „The Runaways“ spielte Twilight-Protagonisten Kristen Stewart Joan, während Dakota Fanning Cherrie Currie, die Leadsängerin der Runaways verkörperte.
Nebenbei nahm Joan Jett immer wieder Alben in unterschiedlichen Konstellationen auf, die vor allem ihre Liebe zu schnörkellosem Rock‘n‘Roll zelebrierten, mal eher poppig, mal trashig oder hard-rockig, aber auf ihre Art immer kompromisslos und ihr eigenes Ding.
Diese Kompromisslosigkeit zeichnet auch die Persönlichkeit von Jett aus. Ob in Sachen Musik oder privat, die überzeugte Veganerin und Kämpferin für die gleichgeschlechtliche Ehe gab zu keinem Zeitpunkt der Versuchung nach, sich in den Mainstream eingliedern zu lassen. So ist sie heute noch mit über 60 eine mehr als würdige „Queen of Rock‘n‘Roll. In ihren eigenen Worten ist die Sache ganz einfach: „People aren’t going to tell me what to do. I’m not going to be told how to live and how I can be myself.“ Word.
Ein Artikel von Johannes Jooss