DER RACING SWEATER
DER RACING SWEATER
/ Nov152019Noch bevor die Lederjacke zur Biker-Uniform wurde, trug Mann auf dem Zweirad Sweater – vor allem wenn er sich mit anderen wagemutigen Zeitgenossen halsbrecherische Rennen über spezielle „Race Tracks“ oder durch freies Gelände lieferte. Hier erfährst du mehr über die Ursprünge eines legendären Kleidungsstücks: des Racing Sweaters.
Die wilden Anfänge der Motorradrennen
Schon zu der Zeit als reihenweise Model Ts vom Band rollten, verbreitete sich die Leidenschaft für Motorradrennen in Teilen der USA. Zunächst fanden die Wettkämpfe auf Bahnen für Pferderennen statt. Um 1909 tauchten dann die ersten Strecken speziell für Autos und Motorräder auf – und die hatten es in sich.
Gebaut aus Holz, ähnelten die sogenannten „Motordromes“ übergroßen Carrera-Bahnen mit Planken an der Seite und halsbrecherischen Kurven. Eine lebensgefährliche Angelegenheit, nicht nur für die Fahrer selbst, die schnell mal die Kontrolle über ihre hochgezüchteten Maschinen ohne Bremsen verloren und im schlimmsten Fall gleich mehrere Zuschauer mit ins Paradies nahmen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis die Presse „Motordromes“ in „Murderdromes“ umbenannte.
Gekleidet waren die tollkühnen Fahrer, die an einem solchen Ritt durch die Hölle teilnahmen, noch nicht in Leder, sondern in warme Wolle. Die sogenannten „Racing Sweater“, auch „Competition Sweater“ genannt, lagen eng am Körper an, damit sie nicht im Fahrtwind herumflatterten. Auf dem Rücken war der Name der Motorradfirma, des eigenen Motorradclubs oder eines lokalen Sponsors aufgestickt. Steigende Beliebtheit genossen außerdem Racing Sweater mit Rollkragen und einem Reißverschluss bis hinauf zum Hals. Wenn schon sterben, dann wenigstens warm…
Racing Sweater als Cluboutfit und die Geburt der Rocker
Der Enthusiasmus für Motordromes flaute bereits Ende der 20er-Jahre ab, der Racing Sweater blieb beliebt. Als Cluboutfit bei Bikern war er bis weit in die 50er-Jahre weit verbreitet – obwohl sich inzwischen natürlich auch die Lederjacke etabliert hatte. Gerade als amerikanische Kriegsheimkehrer auf der Suche nach Adrenalin und Kameradschaft Clubs mit Namen wie „Ramblers“ oder „13Rebels MC“ gründeten und die Hell’s Angels aus der Taufe gehoben wurde, machte er deutlich, welcher Clique sein Träger angehörte, und sah dabei auch noch gut aus.
Racing Sweater waren auch mit von der Partie, als am Independence Day 1947 4.000 gesetzlose und sturzbesoffene Biker das kleine kalifornische Städtchen Hollister ins Chaos versinken ließen. Damit schufen sie die offizielle Geburtsstunde der Rockerbewegung und die Vorlage für den wahrscheinlich berühmtesten Bikerfilm aller Zeiten – aber das ist eine andere Geschichte.
The Race of Gentlemen
Wer heutzutage seinen Racing-Sweater stilsicher über die Sandpiste bewegen möchte, hat die Gelegenheit jenseits des großen Teichs beim „Race of Gentlemen“ in Wildwood, New Jersey. Seit 2011 treffen sich hier jährlich waghalsige Hotrodder, Bobber-Biker und Bellytank-Piloten, um im Geiste der 40er und 50er ihre authentischen Gefährte durch den Sand des Atlantikstrandes zu peitschen.
Ein Artikel von Johannes Jooss