WANDA JACKSON
WANDA JACKSON
/ Okt152018Das mit Frauen im Musikbusiness und vor allem auf der Bühne war eine Sache für sich in den 50er-Jahren. Zwar gab es vereinzelt erfolgreiche weibliche Popstars, zum Beispiel Countrysängerin Patti Page, die mit „Tennessee Waltz“ einen Rekorderfolg im Dreivierteltakt feierte. Auch hatten Ella Fitzgerald und Billie Holiday Jazz und Blues schon ihren Stempel aufgedrückt. Doch davon abgesehen kamen die meisten Frauen über eine Rolle als Groupie vor der Bühne oder Sekretärin des Plattenproduzenten nicht hinaus. Das bekam auch Wanda Jackson zu spüren. Mit den lapidaren Worten „Girls don’t sell record“ teilte ihr Produzent Ken Nelson 1954 mit, dass er sie nicht für Capitol Records unter Vertrag nehmen würde. Dabei war die 1937 geborene Jackson zu diesem Zeitpunkt alles andere als eine blutige Anfängerin. Neben einer eigenen Radioshow hatte sie sogar schon ihren ersten Hit gehabt – „You Can’t Have My Love“, ein Duett mit Billy Gray. Und auch bei Capitol dauerte es nur weitere zwei Jahre, bis man sich umentschloss.
Unter den Musikern, mit denen Wanda Jackson nach ihrem High-School Abschluss 1955 tourte, stach einer besonders hervor. Anders als seine Kollegen trug er statt den Einheitsfarben Blau, Schwarz oder Grau ein gelbes Sportjackett. Obendrauf fuhr er einen pinken Cadillac und wurde umringt von kreischenden jungen Frauen, wo immer er hinkam. Gleichzeitig war er, so erinnert sich Jackson, ein vollendeter Gentleman, der sich prächtig mit ihrem Vater verstand. Der junge Elvis Presley war es auch, der Wanda Jackson dazu überredete, ihren Musikstil zu verändern. Denn bis dahin hatte die Sängerin und Gitarristin ausschließlich respektablen Country gespielt. Doch Elvis, mit dem die junge Frau eine Zeit lang ausging, war überzeugt: Rock’n’Roll war das nächste große Ding und Wanda hatte das Zeug dazu, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, bevor dieser seine Höchstgeschwindigkeit erreichte. Auf den Einwand „But I’m just a Country singer“ entgegnete Presley nur: „Well, I’m too.“
So begann Jacksons Aufstieg zur „Queen of Rockabilly“. Singles wie „Hot Dog! That Made Him Mad“, „Rock Your Baby“, und „Honey Bop“ bewiesen auf eindrucksvolle Art, dass Frauen rocken konnten, gekrönt von „Fujijama Mama“, das in Japan durch die Decke ging, und „Let’s Have A Party“.
Für manch einen europäischen Rockabilly mag es überraschend sein, dass viele Amerikaner wenig bis gar nichts von Wanda Jacksons Rockabilly-Karriere wissen. Doch tatsächlich waren die Rock’n’Roll-Singles der Sängerin mit der rauen Stimme in den späten 50ern keine Chartbreaker. Das heute legendäre „Let’s Have A Party“ schaffte es gerade einmal auf Platz 37 in den USA. Deutlich erfolgreicher war Jackson mit sentimentalen Country-Heulern wie „In The Middle Of A Heartache” und „Right Or Wrong”, „The Box You Came In” und „Tears Will Be The Chaser For Your Wine”.
Zwischen Anfang der 60er Jahre und dem Ende der 70er sagte sich Wanda Jackson sogar komplett vom Rock’n’Roll los. In diese Zeit fiel auch ihr größter Erfolg in deutschen Landen, ein lupenreiner Schlager – wie könnte es anders sein – eigens für sie komponiert: „Santo Domingo“. Das war übrigens nicht das erste und einzige Mal, dass Wanda Jackson auf Deutsch sang. Sogar an Holländisch und Japanisch wagte sich die Sängerin, und das obwohl sie keine einzige dieser Sprachen jemals lernte. Zu Beginn der 70er Jahre konvertierte Jackson zum Christentum und nahm einige Jahre lang ausschließlich Gospelsongs auf. Über all diese Stationen begleitete sie ihr treuer Ehemann und Manager Wendell Goodman, der im Mai 2017 verstarb.
Erst in den 80ern kehrte Jackson zu ihren wilden Zeiten zurück, und war damit so erfolgreich, dass sie dem Rock’n’Roll bis heute treu blieb. Mit ausschlaggebend dafür war die Tatsache, dass viele jüngere Stars Wanda Jackson als einen ihrer größten Einflüsse nannten. Das gab den Auftakt zu der einen oder anderen generationsübergreifenden Zusammenarbeit, zum Beispiel mit Gitarrengott und Produzent Jack White auf „The Party Ain’t Over“. Auch in die Rock’n’Roll Hall of Fame wurde Jackson 2009 aufgenommen.